An Island

Ein Mann lässt die Straße zur Bühne werden. Lokalpolitiker*innen erzählen, was sie im Wahlkampf umtreibt. Der Raum eines Tempels wird zum Begegnungspunkt einer Gemeinde. Die gigantischen Flügel eines Windrads durchteilen das Bild. In Pei-Chin Lees meditativem Porträt des Inselstaats Taiwan ist jede Einstellung für sich ein Kontinent, mit eigenem Rhythmus, spürbarer Dauer, eigenen Gezeiten, eigener Färbung und Stimmung – für sich stehend, klar abgegrenzt, stehen die Bilder nebeneinander und überlagern sich in der Erinnerung dennoch, ergeben etwas Großes, das kein Ganzes ist. Ein Dokumentarfilm, der streng beobachtet und das Leben in seinen Aufnahmen dahinfließen lässt wie die Wellen, die Taiwans Küsten von allen Seiten umgeben. Die Regisseurin filmte von Ende 2022 bis Anfang 2023 während der Kommunalwahlen die unzähligen Formen des taiwanesischen Alltags – nicht zufällig in einem Moment, in dem die Bevölkerung sich zur Politik verhalten musste. Ihr Film zeigt die Idee von Demokratie und Freiheit sowie die Gleichzeitigkeit unterschiedlichster Lebensformen, die sich keinem Leitbild, keiner Leitkultur fügen müssen. (Dennis Vetter)